04 Apr Am grünen Bodensee
Schon lange ist der Bodensee für seine Parks und Gärten berühmt. Bei einer Tour durch die grünen Oasen können Besucher die gesamte Gartenbaugeschichte Europas erleben.
„Naja, das ist schon ein grüner“, lacht Brigitte Damme und zeigt ihren rechten Daumen. Denn die 58-Jährige aus Schleswig-Holstein ist begeisterte Hobbygärtnerin. Zum Einsatz kommt der grüne Daumen in ihrem eigenen Garten. „Den hab´ ich über die Jahre nach meinen Wünschen gestaltet“, erzählt sie. „Und da gibt es nicht nur Zierpflanzen, sondern auch jede Menge Gemüse und Obst.“ Heute aber hat der Daumen Pause. Denn Brigitte Damme ist mit ihrer ebenso gartenbegeisterten Freundin Ursula Wegner im Urlaub am Bodensee. Das Reiseziel haben die zwei nicht zufällig gewählt. „Hier gibt es so herrliche Gärten“, schwärmt Brigitte Damme. „Die wollen wir uns ansehen.“
Gesamte Gartenbaugeschichte Europas
Das milde Klima der Bodenseeregion hat Gärtnern schon immer in die Hand gespielt. Inmitten der vom blauen See und grünen Ufern geprägten Landschaft entstanden über die Jahrhunderte aussichtsreiche Parks und liebevoll gehegte Gärten. Rings um den Bodensee zeigt sich die gesamte Gartenbaugeschichte Europas. Von der Steinzeit über die Antike und das Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert und weiter in die Gegenwart kann der Besucher sie hautnah erleben. Dabei braucht er kaum Distanzen zu überwinden. Und wenn er möchte, reist er einfach per Schiff, Bus oder Bahn von Garten zu Garten. Das Netzwerk „Bodenseegärten – Eine Reise durch die Zeit“ lädt dazu ein, die schönsten Gartenanlagen rund um den See zu entdecken und gleichzeitig Spannendes über die Geschichte des Gartenbaus in der Region zu erfahren.
„Wir haben schon die Gemüseinsel Reichenau besucht“, erzählt Ursula Wegner. „Hier wurde der erste Gartenratgeber Europas verfasst.“ Autor war vor fast 1200 Jahren der Reichenauer Mönch Walahfrid Strabo mit seinem Büchlein „Hortulus – Über die Pflege von Gärten“. Die 24 Verse über genauso viele Pflanzen machen die Insel Reichenau zum Geburtsort der abendländischen Gartenkultur. Das wirkt bis heute: Die Gemüseinsel mit ihren Gewächshäusern und Rebhängen, den drei Kirchen und ihrem Weltkulturerbestatus ist Traumziel für Menschen mit dem berühmten grünen Daumen. „Da kann man wunderschön spazieren gehen und das frische Gemüse direkt an den Ständen der Gemüsebauern kaufen“, schwärmt Brigitte Damme. Ein nach dem Vorbild des Hortulus angelegter Kräutergarten erinnert heute an die lange Gartentradition auf der Reichenau.
Heute haben sich Brigitte und Ursula die wahrscheinlich bekannteste Blumeninsel der Welt ausgesucht: Mainau. Hier hat die Familie Bernadotte auf 45 Hektar aus der historischen Baumsammlung des 19. Jahrhunderts ein wahres Blumenparadies geschaffen. Ein Star-Landschafts-architekt wurde vom späteren französischen Kaiser Napoleon III. für den englischen Garten von Schloss Arenenberg am schweizerischen Untersee engagiert. Der legendäre Fürst Pückler plante rund um das schönste Schloss am Bodensee um 1840 eine grüne Idylle voller Überraschungen. „Eine wunderschöne Anlage“, freut sich Brigtte Damme. Sie schnuppert an Stauden, bewundert die großen Blumenskulpturen und stellt sich bei den Dahlien für ein Erinnerungsfoto mit ihrer Freundin Ursula auf. Aber besonders gefällt ihr der italienische Rosengarten. „Ich bin doch so ein Rosen-Fan“, gesteht sie. „Daheim habe ich auch ganz verschiedene Sorten.“ Begeistert sind beide auch vom Schmetterlingshaus, in dem tropische Tagfalter frei fliegen.
Von der Insel Mainau ist es nicht weit zur historischen Anlage des ehemaligen Kartäuserklosters Ittingen. Neben einem Barockgarten sind hier zwei Hopfengärten, Weingärten, ein Kräutergarten, ein Priors- und ein Mönchsgarten zu sehen. Der Rosengarten mit 1.000 Rosenstöcken duftet nicht nur wunderbar, er wartet außerdem mit der größten Auswahl an historischen Rosensorten der Schweiz auf. Der Seeburgpark in Kreuzlingen liegt wunderschön am Schweizer Ufer des Bodensees und lädt zum Verweilen und Flanieren ein.
„Unser Hotel ist aber auf der anderen Seeseite, in Meersburg“, berichtet unser Duo aus Schleswig-Holstein bei der Heimfahrt auf dem Schiff. „Da soll es auch einen unvergesslichen Garten mit Traumblick geben.“ In Meersburg angekommen werden Brigitte und Ursula schnell fündig und werden nicht enttäuscht. Gleich beim Eintritt in den Park am Neuen Schloss Meersburg empfängt den Gast ein prächtiger Formengarten ganz im barocken Stil. Gestalterische Elemente sind symmetrisch angelegte Wege, phantasievoll geschnittene Hecken und Büsche, Brunnen und Wasserbassins sowie zwei Labyrinthe. Neben barocker Gartenarchitektur bietet der Park eine herrschaftliche Aussicht auf den See. „Da müssen wir uns jetzt mal ein paar Minuten satt sehen“, sagt Brigitte zu Ursula. Die zwei haken sich ein und blicken andächtig auf den Bodensee. Vom Neuen Schloss Meersburg aus ist es ein Katzensprung zum ehemaligen Kloster und Schloss Salem, das die zwei auch besichtigen wollen – aber nicht mehr heute. Jetzt geht es erstmal zurück ins Flair Hotel Zum Schiff zu einem leckeren Abendessen.
UNESCO Weltkulturerbe
Die Reste steinzeitlicher Pfahlbauten in der Bodenseeregion gehören seit 2011 zum Weltkulturerbe der UNESCO. Man kann sie zum Beispiel im Pfahlbaumuseum in Unteruhldingen besichtigen. Wie hier schon in der Steinzeit gegärtnert wurde, zeigt der archäobotanische Garten in Frauenfeld. . Im angrenzenden Museum für Archäologie und Naturmuseum erfahren Besucher viel Wissenswertes zum Gartenbau aus dieser Zeit. „Wir machen heute auch eine kleine Zeitreise“, kündigen Brigitte und Ursula an. Es geht in den archäobotanischen Garten nach Hemmenhofen. Auch hier wird ein urzeitliches Pflanzenspektrum gezeigt. Dabei eröffnet sich dem Besucher nicht weniger als die Kulturpflanzengeschichte Mitteleuropas. „Hier gibt es zum Beispiel Kolben-Hirse, die wir nur noch als Sittich-Futter kennen“, staunt Ursula. Auch Buchweizen, Linse und Ackerbohne, das erste Saatgut der Menschheit, werden dort heute noch gezüchtet und gepflanzt. Zurück in Meersburg stattet das Duo noch dem Bibelgarten der Bibelgalerie einen Besuch ab. „Der Garten lässt die Geschichte und die Geschichten der Bibel richtig lebendig werden“, freut sich Brigitte.
Am nächsten Morgen ist die Englische Parkanlage von Schloss Wartegg an der Reihe. „Ein Idyll aus alten Bäumen, Wasserläufen und lauschigen Lichtungen“, schwärmt Brigitte. . Im Herzen des nationalen Gartendenkmals aus dem Jahr 1860 bauen Biogärtner fast vergessenes Gemüse, Kräuter und Blumen an. 30 prächtige Villen und Parks lassen sich auf dem Lindauer Gartenkulturpfad erkunden – allesamt vornehme Schmuckstücke direkt am bayerischen Bodenseeufer. Brigitte und Ursula lassen diesen für heute jedoch aus und entscheiden sich für einen Abstecher nach Überlingen. Der Überlinger Gartenkulturpfad verbindet die schönsten grünen Sehenswürdigkeiten der Stadt, darunter der Stadtgarten mit exotischen Pflanzen und mächtigen Baumriesen. „Hier lässt es sich prima schlendern und staunen“, sagt Ursula.
Für das Duo geht der Urlaub langsam zu Ende. Doch rund um den Bodensee gibt es noch viele weitere Gärten zu bestaunen. Im EchinaPoint in Roggwil dreht sich alles um den Naturheilkunde-Pionier Alfred Vogel und seine Lieblingspflanze, den Roten Sonnenhut. Besucher genießen die purpurne Blütenpracht und erfahren, wie pflanzliche Heilmittel hergestellt werden und wirken. Die Stadt Singen zeigt in ihrem Stadtgarten einen alten Baumbestand, exotische Sommerpflanzen, Kunstwerke und im Frühling ein wahres Blütenmeer. Und Konstanz mit dem Gartendenkmal Stiegeler Park zeigt einen einmaligen Privatgarten direkt am See. Der Arzneipflanzengarten der VitaPlant AG in Uttwil zeigt eine umfassende Sammlung an Heilpflanzen und lädt direkt am Bodenseeradweg zum Verweilen ein. Der harmonische Firmengarten der REGENA AG in Tägerwilen verbindet die Arzneipflanzen mit dem Firmengebäude. Eine gelungene Umsetzung der wörtlichen „Work-Life-Balance“. Ein Hofgarten nach barockem Vorbild ist bei Schloss Messkirch zu finden. Ein Park mit Blick auf Konstanz und die Schweizer Berge lädt im KWA Parkstift Rosenau zur Entspannung ein. Und mit der Stadt Bregenz und deren Gärten erweitern sich die Bodenseegärten um ein drittes Land.
Für Gäste gibt es Tourenvorschläge für individuelle Gartenzeitreisen – sei es mit dem Schiff, dem Rad oder mit Bus und Bahn. Am westlichen Bodensee kann Gartengeschichte auf eigene Faust auf vier Routen mit je maximal 30 Kilometern „erfahren“ werden. Radler erhalten dabei nicht nur spannende Garteneindrücke, immer wieder öffnen sich auch fantastische Blicke über die weite Wasserfläche des Bodensees. Ein Erlebnis-Angebot der Insel Mainau ermöglicht Gartenfans zudem, einen Tag lang (oder auf Wunsch auch länger) in die Rolle eines „Mainau-Gärtners“ zu schlüpfen. Weitere Infos zu den Bodenseegärten unter www.bodenseegaerten.eu.
Brigitte und Ursula sind von ihren Erlebnissen beeindruckt. „Ich nehme so viele schöne Eindrücke mit“, freut sich Ursula. „Und ich habe schon zwei Ecken in meinem Garten im Auge, in denen ich das ein oder andere ähnlich umsetzen will“, plant Brigitte. Dann schaut sie auf ihren Daumen. „Da kommst du dann wieder zum Einsatz.“